Auf wie viele Arten und Weisen kann man sich einem bewunderten und weltberühmten Künstler, der bereits eine endlose Anzahl an Interviews hinter sich hat, nähern?
Was mich ermutigt hat, Yefim Bronfman neu zu beleuchten, ist mein höchster Respekt für seine aussergewöhnliche Klavierkunst und seine Persönlichkeit..
Ich möchte bereits bekannte sowie weniger bekannte Fakten über ihn verknüpfen, um so zu einem komplexen Portrait dieses bedeutenden Pianisten beizutragen.
Yefim Bronfman
Bronfmans liebenswerte Eigenschaft, sich selbstnicht allzu ernst zu nehmen, überrascht viele Menschen. Er geniesst sein Leben, und wenn man seinen eigenen Worten Glauben schenkt, dann hat er gerne Spass.
Bronfmans vielbeachteter Auftritt als Preisrichter für die “Iron Chef”-Show des US-Kochkanal Food Network im August 2009 ist vielleicht das bekannteste Beispiel dafür, dicht gefolgt von seinem Auftritt als Sidekick des Geigers Gil Shaman in einem YouTube-Clip. Die beiden kennen sich von gemeinsamen Beethoven-Aufnahmen, und Bronfman erzählte mir, dass sein guter Freund Shaham und er ohne irgendwelche Vorbereitungen einfach improvisiert hätten.
Aber es sind nicht nur seine Ausflüge in die Welt der Speisen und Weine, und seine Bereitwilligkeit, mit Freunden zusammenzuarbeiten, die beeindrucken. Es ist vor allem auch seine Grosszügigkeit, den Zugabewünschen seines Publikums zu entsprechen. Als Beispiel hierfür dient sein diesjähriger Auftritt in der Avery Fisher Hall. Unter tosendem Beifall spielte er eine ganz besondere Zugabe, : eine wunderbare Interpretation von Schumanns Arabesque und das gleich im Anschluss an seine Darbietung von Prokofievs Klavierkonzert Nr. 2, unter der Begleitung von Alan Gilbert und dem New York Philharmonic Orchestra.
Kein Wunder, dass sein loyales Publikum weiss, es kann sich auf die Qualität seiner Konzerte verlassen; er hat es nicht nötig, sich durch extravagantes Verhalten in Szene zu setzen. Sein Charisma, seine Ernsthaftigkeit in Sachen Klavierkunst, seine Sensibilität und professionelle Integrität schaffen immer wieder die bewegendsten Momente.
Auf der Liste der Pianisten, denen diese Ehre vor Bronfman zuteil wurde, finden sich Namen wie Daniel Barenboim, Richard Goode, Martha Argerich, und Maurizio Pollini. Und was sagt Bronfman dazu? “Ich kann den ganzen Wirbel um meine Person eigentlich gar nicht verstehen. [Meine Auftritte] … sind immer ein fortlaufendes Experiment; sie sind nie wirklich abgeschlossen. Und es geht immer um Musik, und da gehört der Schwerpunkt auch hin.
Und was denkt er über Fans, die für seine Autogramme Schlangen stehen? “Das verstehe ich eigentlicht nicht”, sagt er bescheiden. Trotzdem erfüllt er ihre Wünsche. Mehr als das: er heisst sie freundlich willkommen und lässt die Tür zu seinem ‘grünen Zimmer’ hinter der Bühne weit geöffnet.
Bronfman lebt seit über 30 Jahren in New York, und ist fester Bestandteil der klassischen Musikszene der Stadt. Er liebt es, New Yorker zu sein, und stellt seine Zeit und seine Kunst den verschiedensten Spendenaufrufen zur Verfügung. Einer dieser Events war z.B. das Benefizkonzert im Grand Central Station zugunsten der New Yorker Food Bank im Jahre 2007.
Trotz internationaler Karriere und eines auf drei Jahre im Voraus ausgebuchten Tourneekalenders verbringt Bronfman regelmässig Zeit in seiner Lieblingsstadt. Seine Mutter, die die ersten Schritte ihres Sohnes auf dem Weg zum Pianisten seit seinem siebten Lebensjahr begleitete, lebt im selben Upper Westside-Gebäude wie er. Dort wohnt auch sein langjähriger Freund und Kollege, der New Yorker Pianist und Kammermusiker Emanuel Ax. “Wir sind schon ewig Freunde”, meint Bronfman, “und wir waren es auch schon, als wir noch nicht zusammen auftraten.
Die beiden Pianisten haben in den letzten zehn Jahren nicht nur Aufnahmen zusammen gemacht, sondern sind auch als Ensemble zweier Klaviere weltweit zusammen aufgetreten. Emanuel Ax erklärt: Jenny Vogel ist unsere gemeinsame Managerin bei Opus 3 Artists, und da wir eng befreundet waren, entstand die Idee, zusammen zu spielen. Angefangen haben wir mit einer Rachmaninoff-Aufnahme, gefolgt von einer Brahms-Aufnahme, die auch die “Variationen über ein Thema von Haydn” und die Sonate in F- Moll, op. 34b enthielt …”
“So aussergewöhnlich ist das gar nicht”, meint Emanual Ax. “Man freundet sich an und dann arbeitet man zusmmen. Ich bin ein grosser Fan von {Bronfmans] Klavierspiel; es ist ein Privileg für mich, mit ihm zu arbeiten. Er ist ein äusserst ernsthafter Künstler und einer der musikalisch aufregendsten und brilliantesten Musiker unserer Zeit. Es ist wunderbar, mit einem Freund auf der Bühne zu stehen. Wir haben viel Spass zusammen – auf und hinter der Bühne. Wir lieben beide gutes Essen, wenn wir auch auf unsere Diät achten müssen.”.
Das Prädikat “ernsthafter Künstler” ist keineswegs gleichbedeutend mit ‘langweiliger Künstler’. Obwohl viele Menschen glauben, dass die Welt der klassischen Musik keine heiteren Seiten kennt, gibt es genug Gegenbeweise zu dieser These. So hat z.B. das Klassik-Komödianten-Duo Igudesman & Joo ganze Arbeit geleistet, dieses ‘spassfreie’ Image zu zerstören. Emanuel Ax hat durch seine gemeinsamen Auftritt mit den beiden bewiesen, dass er, wie auch viele andere Musiker, durchaus das Talent zum Komödianten hat. Während eines privaten Zankel Hall-Auftritts von Igudesman und Joo im Juni diesen Jahres entdeckte ich Bronfman unter den geladenen Gästen; ich fragte mich, ob er wohl plane, mehr von seinem Talent in diesem Bereich unter Beweis zu stellen.
Da Bronfman und Ax Nachbarn sind, wollte ich wissen, ob sie abwechselnd in ihren Wohnungen probten. “Nein, das machen wir in den Konzerthallen, in denen wir auftreten, und – wenn es um einen zeitlich knapp angesetzten Soloauftritt geht – manchmal auch in der Steinway Hall oder an der Juilliard School”, meinte Bronfman. Ax unterrichtet dort, aber sein Spielplan lässt meist nur für einen einzigen Studenten Zeit.
Bronfman zieht eine zukünftige Lehrtätigkeit ebenfalls in Erwägung. Aber bis dahin möchte er so weiter machen wie bisher, und aus Freunden musikalische Mitstreiter werden lassen, und aus musikalischen Mitstreitern Freunde.
“Da ist natürlich seine unermessliche Technik, und seine stilistische Vielseitigkeit”, sagt Salonen über Bronfman. “Aber da ist auch diese Selbstlosigkeit in seinem Klavierspiel. Nicht, dass er anonym bliebe, aber er nimmt sich nie wichtiger als die Musik selbst, und das ist ausgesprochen erfrischend.”
Mermelstein zitiert Bronfman in einem Artikel der Los Angeles Times aus dem Jahre 2008: “Seien wir ehrlich: es würde mehrere Leben lang dauern, um all das Repertoire zu spielen, das man gern spielen würde. Was mich vorantreibt, ist neues Material. Neue Werke zu lernen und in Auftrag zu geben ist, was mir am meisten gefällt.”
In eben diesem Interview wird auch die etwas stereotype Annahme, dass sich der in Russland geborene Bronfman auf russisches Repertoire (er spielt es natürlich auch) spezialisiert habe, zurecht gerückt.
Geboren wurde Yefim Bronfman, den seine Freunde ‘Fima’ nennen, in Taschkent, der Hauptstadt von Usbekistan. 1973 emigrierte er mit seiner Familie nach Israel. Auf die Frage, in wie weit er seinen jüdischen Glauben aktiv ausübt, antwortet er mir: “Das ist ein bisschen kompliziert. Mein Vater war nicht sehr religiös, aber meine Mutter ist es sehr. Ich bin irgendwo eine Mischung. Ich besuche keine Gottesdienste, aber ich mag die Feiertage. Ich bin spirituell und bin mir meiner jüdischen Identität bewusst. Und ich unterstütze jüdische Anliegen und Spendensammlungen für Israel.”
In Tel Aviv gewann Bronfman einen Wettbewerb um ein Stipendium der America-Israel Cultural Foundation (AICF) unter Vorsitz von Isaac Stern. Dies ermöglichte es ihm, im Jahre 1974 mit seiner Ausbildung an der Rubin Academy of Music (Tel Aviv University) unter Arie Vardi zu beginnen. Bronfman beschreibt Vardi als grossartige künstlerische und pädagogische Autorität.
Bronfmans erste grosse Chance bot sich, als er bei Zubin Mehta vorspielen durfte. Mehta war nach seiner Arbeit für das Montreal Symphony Orchestra mittlerweile künstlerischer Direktor des Los Angeles Philharmonic Orchestra, und hatte bereits auch das Israel Philharmonic Orchestra dirigiert. Bronfman trat 1974 mit dem Israel Philharmonic Orchestra auf, und gab sein internationales Debut mit Maestro Mehta und dem Montreal Symphony Orchestra im Jahre 1975.
Dank der Unterstützung durch die AICF konnte Bronfman sein Studium an der Juilliard School in New York und am Curtis Institute in Philadelphia weiterführen. Seine Teilnahme am Marlboro Festival brachte ihn dann mit Leon Fleisher zusammen – einem weiteren Anker und Lehrmeister seiner frühen Jahre als Pianist. Bronfmans Karierre stand wirklich von Anfang an unter einem guten Stern.
Heute ist er selbst ein weltberühmter Musiker, und der Kreis zu Isaac Stern schliesst sich mit Bronfmans unerschütterlicher Unterstützung für eine Institution, die Stern sehr am Herzen lag – The American Friends of the Israel Philharmonic Orchestra.
Bronfmans Engagement für das Israel Philharmonic Orchestra ist bemerkenswert. “Seit seinem Debut mit dem Israel Philharmonic Orchestra im Mai 1974 hat er in Israel über 160 Konzerte mit dem Orchester gegeben. Die Beziehung gründet sich auf wunderbarer Musik und gegenseitigem Respekt,” sagt Sheryl Palley-Engel, Pressesprecherin der American Friends of the Israel Philharmonic Orchestra. “Mr. Bronfman stellt seine Zeit und sein Talent sehr grosszügig zur Verfügung, um das IPO in den Vereinigten Staaten zu fördern; seit 2004 sitzt er auch im Verwaltungsrat des AFIPO. Er spielt auch anlässlich privater Konzerte für AFIPO-Förderer in New York und Los Angeles, und bei alljährlichen AFIPO Gala- Benefizkonzerten.”
Einer der Höhepunkte der nächsten Zeit ist die Rückkehr des Israel Philharmonic Orchestra in die USA anlässlich des 50. Jahrestags von Maestro Zubin Mehtas Debut als Dirigent.
Das Ereignis ist für den 16. Oktober in Tel-Aviv mit einer Gala Veranstaltung geplant und wird 2011 in New Yorks Carnegie Hall fortgesetzt warden..
Am 22. Februar 2011 wird Yefim Bronfman mit Maestro Mehta und seinem Orchester beim AFIPO Gala-Konzert auftreten. Weitere Informationen zu diesen Events finden Sie hier: AFIPO’s web site. Mein Blog wird über Zubin Mehta und das Israel Philharmonic Orchestra berichten.
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