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Benjamin Grosvenor – pianistische Fähigkeit der alten Welt mit jugendlicher Ausstrahlung


Obwohl er auf fast jedem nennenswerten Musikmagazin als Titelbild abgelichtet ist, sind die Auftritte von Benjamin Grosvenor in den Vereinigen Staaten recht dünn gesäht und seltene Ereignisse, was vielleicht darauf zurueckzuführen ist, dass sich ‘Hazard Chase International Music Management’ absichtlich vorsichtig nach Vorne wagt.

Seine bewunderswert klaren und spontan klingenden Interpretationen erstaunen das Publikum immer wieder aufs Neue, was seine bereits umfangreiche europäische Gefolgschaft rechtfertigt, die offensichtlich war, als er im Alter von 19 Jahren die ‘BBC Proms’ eröffnete, in der ausverkauften Royal Albert Hall spielte und sich für das renommierte Decca Label als jüngster und erster britische Künstler in sechzig Jahren verpflichtete. In New York nahm der junge englische chap, der im letzten Jahr auf seinem Debüt in der Frick Collection bescheiden in schwarzem Hemd und Hose erschien, ein ausgewähltes Publikum mit seinem sehr persönlichen, einfühlsamen und dennoch virtuosen Konzert für sich ein. Sein technisch perfektes Spielen war auf illustrative Art und Weise einfallsreich und seine Interpretationen wiesen eine Reife des musikalischen Könnens auf, die weit über sein Alter hinausging.

Diesen Sommer trat Grosvenor am 26. Juli bei dem diesjährigen ‘Wolf Trap Summer Festival’ zusammen mit dem ‘National Symphony Orchestra’ vor einem ernorm großen Publikum auf. Während der Probe tags zuvor am Kennedy Center in Washington mit Ankush Kumar Bahl, dem Assistentsorchesterdirigenten von Christopher Eschenbach, machte sich Grosvenor den ausdrucksvollen Aufmacher in Rachmaninows zweitem Klavierkonzert zu eigen. Aufgrund der ähnlich wirksamen Ausstrahlung von diesem aufbrausenden Höhepunkt der Romantik drängte die Erinnerung an die RCA-Aufnahme des gleichen Konzertes des jungen Evgeny Kissin mit Valery Gergiev auf. Im Gespräch bringt Grosvenor eine Sicht eines Pianismus zum Ausdruck, die ebenfalls in mancherlei Hinsicht an den zwanzig Jahre älteren russischen Pianisten Evgeny Kissin erinnert. Es ist der äußerst individualistische Ansatz, der diesem Hinweis auf den hier betrachteten Komponisten zu Grunde liegt, der von beiden Pianisten voll begrüßt und angenommen wird und beide, indem einjeder ideosynkratische und dennoch definitive Klangwelten hervorbringt, in eine direkte Erb-Linie zum sogenannten goldenen Zeitalter des Klaviers stellt. Beide Pianisten haben Mütter, die Klavierlehrerinnen waren, beide wuchsen in einem musikalischen Umfeld auf und waren recht natürlich und unbekümmert am Klavier, als sie in jungem Alter auftraten. Beide begriffen erst später als Heranwachsende die Fallen und Schwierigkeiten des Klaviers und entwickelten ein selbstkritisches Bewusstsein dessen, was einen guten Auftritt ausmacht.


Grosvenor erlebte für sich allein Anflüge von Lampenfieber, die sich teilweise durch seine gerade dann entdeckte Liebe für Kammermusikauftritte überwinden ließen, welche es ermöglichten, die Wirkung der Bühne mit anderen zu teilen. Kissin unterscheidet andererseits zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Nerven und die werden erst dann gut, wenn man sich total intensiv vorbereitet hat, wie er es in aller Regel auch tut.  Beide merkt man es an, wie sehr sie es genießen, während ihrer Solokonzerte “über alles Kontrolle zu haben,” geichwohl die Konzertauftritte mit Orchester noch immer eine große Rolle in ihrem Auftrittsrepertoire spielen. Beide lieben ihr Publikum, sehen dieses gern aus der Nähe und treten mit diesem auf persönlicher Ebene in Verbindung, genießen die Abwechslung von Tourneen und kommunizieren durch eine charismatische Bühnenpräsenz, die weder zurückhaltend und spröde noch arrogant, sondern vielmehr sachlich ist.

“Bis jetzt war meine Lieblingsreise ein Trip nach Rio de Janeiro im Jahre 2006.” sagt Grosvenor, ich fühlte, wie ich wirklich in der Lage war, mit dem Publikum in Verbindung zu treten, sie waren so enthusiastisch und ich empfand die Atmosphäre, die andere Kultur als sehr angnehm.” Er mag ebenfalls besonders Kirchenauftritte, die gewöhnlicherweise anstelle von Konzertsälen als alternative Veranstaltungsorte von Musikvereinen und Sommerfestivals in England ausgewählt werden. “Was mich anspricht, ist die intime Atmosphäre einer Kirche, oft weit von einer großen Stadt entfernt,” sagt er. Der Film von Julian Strand mit dem Titel Imagine: Being a Concert Pianist [Man stelle sich vor, ein Konzertpianist zu sein] zeigt den elfjährigen Grosvenor als Finalisten des Wettbewerbes junger Musiker vom BBC im Jahre 2004. Bereits zu diesem Zeitpunkt stellt der Film ihn in die Reihe von Wunderkindgrößen, einschließlich unter anderen von Kissin. Nicht viel anders wie bei der eng zusammengefügten Kissin Familie, war die Grosvenor Familie im Interesse des Selbsterhaltens umsichtig, einen zu vollen Auftrittskalender zu vermeiden, um so dem scheinbar eifrigen, aber dennoch im Film ein bisschen ungeschickt portraitierten Teilnehmer, ein halbwegs ‘normales’ Aufwachsen zuzusprechen. Normal, zumindestens innerhalb bestimmter Grenzen eines nicht so normalen Berufes, der bekanntlich einige seiner besten Mitstreiter schon einem so jungen Alter einnimmt, wenn ihre Leistungen und Leistungsvermögen sich im Vergleich mit den Altersgenossen mit erstaunlicher Diskrepanz zeigen. Da die Familie sich den potentiellen Nachteilen des Wunderkind Faktors voll bewusst war, der oft der gesunden Entwicklung des heranwachsenden Musikers im Wege stehen könnte, hielt die Familie den jüngsten ihrer fünf Kinder, ihren Benjamin, so nahe am Zuhause wie möglich. Das bedeutete Zusammenzureisen, vornehmlich mit seiner Mutter, die bei der letzten Probe in Washington zugegen war. “Aber jetzt nicht mehr soviel wie zuvor,“ fügt Grosvenor hinzu, “was meine Wahl ist.”

Auf seiner letzten Tournee vor kurzem nach Singapur schaffte Grosvenor es allein  “ auch dank der ausgezeichneten Arrangements seines Managements … Eines Tages werde ich es sowieso alles allein machen müssen,” sagt er. Inzwischen ist sein Kalender zunehmens voller und mit 76 Konzerten pro Jahr, manche davon über länger andauernde Tourneen verteilt, verbringt er weniger Zeit in Southend- On- See in Essex, einer Stadt etwa eine Stunde östlich von London gelegen, wo er es schätzt, mehr Ruhe zu haben. “London ist mir zu hektisch,” meint er. Selbst als er an seinem Studienabschluss an Londons ‘Royal Academy of Music’ bei seinem Mentoren Christopher Elton arbeitete, pendelte er und er spielt noch immer circa einmal pro Woche für seinen ehemaligen Lehrer und auch für Daniel-Ben Pienaar an der ‘Royal Academy of Music’ den er neben Elton als seinen größten Einfluss benennt. Pienaar besitzt ein besonderes Interesse an alter Musik und an den Wiener Klassikern und den Frühromantikern, seine Aufnahme der Diabelli Variationen wurde gerade von der ‘London Times’ zur Aufnahme der Woche erkoren. Grosvenor selbst würde gern mehr zeitgenössische Kompositonen in seine Programme miteinschließen, die, obwohl er sich sehr auf die Romantiker konzentriert, dennoch zum Ziel hat, einen breiteren Ausschnitt des umfassenden Klavier Repertoires darzubieten. Vielleicht eine Frage der Zeit…. Nach der Sommerpause ist Benjamin Grosvenors eindruckvoller Konzertkalender der folgende: Konzerthaus Berlin am 8. September; Paris Salle Gaveau, 11. Oktober; London Wigmore Hall, 14. Oktober; Detroit Symphony Orchestra, 25.-27 Oktober.; ‘Boston Celebrity Series’, 5. November; Het Concertgebouw, 16.November.  Das Programm wird umfassen: Mendelssohns Rondo Capriccio Opus 14; Schuberts Impromptu Opus 90, Nr. 3.; Schumanns Humoreske; Mompous Paisajes; Medtners Zwei Märchen Opus Nr.3 und Opus.14, Nr.2; Ravels ‘Valses Nobles et Sentimentales’ und Gounod/Liszts ‘Valse de Faust‘ . New Yorker werden bis zum Jahr 2014 auf seinen Auftritt in der Zankel Hall warten müssen, aber Pianophile werden wissen, dass man das nicht verpassen darf!



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