Libetta ist ein Pianist, der Inbegriff eines Musikers, der Jahr für Jahr dazu eingeladen wird, auf Tournee zu gehen und Veranstaltungsorte jenseits seiner Heimat Italien zu besuchen, wo er sich einen Namen als der etablierte Keyboard Künstler gemacht hat, der er nun mal ist. Seine Fans weltweit sind ihm treu, ihm zugetan und ihre Zahl wächst an.
Einer seiner Wohnorte weg von zuhause (ein vertrauter, abgelegener Ort in der Nähe von Lecche) in den Vereinigten Staaten ist Giselle Brodskys Piano Festival in Miami, wo Libetta oft zur Gruppe von Giselles handverlesenen, ausgewählten Pianisten gehört, die nicht nur durch ihre überlegenen Fähigkeiten als Instrumentalisten hervorstechen, sondern auch wahre Künstler sind.
Giselle und Libetta trafen sich im Jahre 1994, nachdem Giselle eine kommerziell produzierte Aufnahme einer seiner Chopin Auftritte in Mailand gehört hatte, die, auch wenn sie bei ihr Interesse an diesem jungen italienischen Künstler erweckte, ihrer Meinung nach, nicht dem Pianisten gerecht wurde. Sie wollte ihn für einen Live-Auftritt bei ihrem Festival in Miami gewinnen.
“Es gibt in der Musikbranche ein unsichtbares Netz und seine Funktionsweisen sind geheimnisvoll. Es ist schwer zu erklären, warum einige Künstler erfolgreich sind und andere weniger so, meint Libetta in einem Interview in seinem Hotel abseits der 57. Straße, nur eine Minute von der Steinway Hall enfernt, wo er die Übungsräume für seine Auftritte in den großformatigen italienischen Produktionen von The Profile, The Life And The Faith Across The Notes von Mario Jazzetti am 12. Mai in der Avery Fisher Hall nutzt. “Maurizio, wie er sich selbst nennt, studierte nicht Komposition, “erklärt Libetta, “sondern wollte ein persönliches Tagebuch schreiben, eine Beschreibung des Lebens und der Liebe mit all ihren Herausforderungen. Es weist einen sehr schwierigen Klavierteil auf und die Orchestrierung musste neu gemacht werden. Die gesamte Produktion wurde zu einem sechsteiligen Konzert, sehr leidenschaftlich und melodisch. Sechzig Jahre nachdem es geschrieben worden war und die Orchestrierung erst nach seinem Tod vollendet, wollte seine Witwe das ganze Stück hören, nachdem sie mit dem Komponisten vierzig Jahre zusammengelebt hatte und wusste, dass er in seinem ganzem Leben nur an diesem Stück gearbeitet hatte. Ich fand die ganze Geschichte, die sich darum rankte, sehr rührend und als sein Sohn an mich herantrat, erklärte ich mich einverstanden es aufzuführen.“
Libetta setzte seine Gedankenkette fort “…es gibt Musiker, die viel gelobt werden, aber keine Eintrittskarten während der Spielzeit verkaufen und das Gegenteil trifft auf einige der sehr berühmten Namen zu, die Magneten an der Abendkasse sind. Ich glaube, es handelt sich um eine Kombination aus Neugierde und Mode. Besonders jetzt, wo Ruhm nicht notwendigerweise in der Konzerthalle, sondern im Internet geschaffen wird, wird es schwieriger, das Interesse eines Publikums allein nur durch einen guten Auftritt aufrechtzuerhalten und die Presse ist nicht so sehr scharf darauf, Konzertkritiken zu schreiben. Als ich aufwuchs, ließen sich in der Zeitung einer jeden kleinen Stadt Musikkritiken finden. Wenn man ein gutes Konzert hatte, gab es eine Kritik und man hatte so Belegmaterial zur Hand, auf das man heutzutage nicht mehr mit Sicherheit zählen kann. Man kann nur seine Spielprogramme als Hinweis darauf sammeln, dass man dort aufgetreten ist.” Der Pianist wird munter und spricht mit einem charmanten, starken italienischen Akzent, als er seine Erfahrungen in der Musikwelt und dessen geschäftlichen Aspekten aufeinander bezieht. “Irgendjemand sagt mir: ‘Die Welt ist großartig und es wird immer einen Platz geben, wo man einmal auftreten kann. Aber wenn man erstmal in einem Saisonprogramm aufgenommen ist, wird man auch in anderen sein.’”
Mit Gusto fährt er fort: “Leuten gefälllt es, auf Namen zurückzugreifen, die sie bereits kennen. Es ist genauso wie im Supermarkt. Man kauft die Marke, die man kennt. Man wird nach einem Produkt Ausschau halten, das einem bereits bekannt ist. Also, wenn die Zeitungen nicht über einen Auftrittskünstler schreiben und der Produzent einer Veranstaltungssaison nicht mutig genug ist, einen Künstler in das Veranstaltungsprogramm aufzunehmen, wird der Manager keinen Vertrauensvorschuss gewähren …aber, was ist am Ende der wirkliche Maßstab über den Ruhm? Einige Aufnahmen auf YouTube werden tausende Male angeklickt; andere von wahrhaft großartigen Künstlern erhalten nur wenige gleich bleibende Klicks.”
Auf die Frage hin, ob er oft auf die Konzerte anderer Musiker geht, sagt er mir ehrlich: ”Ich lebe an einem recht abgeschiedenen Ort und ich lebe allein. Der Pianist ist sowieso die meiste Zeit allein und daher bin ich immer an irgendeinem Austausch mit anderen Musikern interessiert, aber nicht notwendigerweise daran, auf die Konzerte anderer zu gehen. Rachmaninow sagte einst bekanntermaßen, es wäre ärgerlich, wenn ein anderer Pianist schlecht ist und wenn er gut ist, wäre es ihm ein noch größeres Ärgernis.” Wir lachen.
“Es hängt davon ab, wonach man Ausschau hält. Ich bin nicht besonders an technischer Fähigkeit interessiert – ein neues Stück kann ich selbst lesen. Manchmal ist es interessant, neue Trends oder Programme aufzunehmen – alles was so passiert. Man kann spüren, ob Dinge in die eine Richtung oder in die andere verlaufen. Ich mag es, in Miami zu sein, wo ich viele wunderbare Musiker und Freunde getroffen habe und wo es enormes Talent gibt, wie Ilya Itin oder Louis Prat. Und ich habe es genossen, junge Studenten am staatlichen Konservatorium in Kammermussik zu unterrichten. Es gibt heutzutage eine gewaltige Diskrepanz zwischen der Partitur und der Musik. Fast wie im Mittelalter, als die Leute Analphabeten waren, wussten sie wie man spricht, aber nicht wie man liest. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich für Blinde spiele, denn so wenige sind musikalisch gebildet und ich finde es ist wichtig, diese Distanz zu überbrücken. Als in den Fünfziger und Sechziger Jahren Richter spielte, gab es ein Repertoire, an das die Leute glaubten und sie wussten, was sie zu erwarten hatten. ”Und mit Sicherheit bin ich der Meinung, dass das heutige Publikum vielleicht offener für Dinge ist, aber nur wenige musikalisch gebildet sind.
Francesco Libetta, der gut aussieht und sportlich ist, glaubt stark daran, dass die Arbeitsethik bestimmend für den Künstler ist, sowohl am Klavier, als auch woanders. Er mag körperliche Aktivitäten zusammen mit der disziplinierten Arbeit am Piano. “Der Klang gibt einem Satz die Form. Wenn man Kontrolle über den Satz hat, kommt die Musik auf natürliche Weise,” erläutert er. “Callas gab einmal ein Interview und auf die Frage, was sie für wichtiger halte, Technik oder Musikalität, sagte sie: ’Was meinen Sie – ohne Technik kann Musik nicht zum Klingen gebracht werden?’ Technik, das Know-How, gibt einem nur die Kraft das zu sagen, was man sagen will. Kunst ist ein Handwerk. Virtuosität ist die Kontrolle des Körpers und der Seele. Es ist nicht ein Geschenk.”
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