Um ihren Auftrag zu erfüllen, “zeitgenössische Musik jedem zugänglich zu machen” hat die türkische Pianistin /Komponistin Seda Röder, die international richtungsweisende Veränderungen angezapft, die einem unternehmerischen Handeln zugänglich sind. Bei allen ihren Bemühungen in ihrem heimatlichen Istanbul, in Europa und den USA bringt Röder ihre endlose Energie und unternehmerischen Instinkte ein, indem sie Vorträge hält, Konzerte gibt und an Konzertkooperationen teilhat, während sie eine interaktive Plattform für zeitgenössische Musiker aus der Türkei aufbaut. Ihre Webseite “Listening to Istanbul” hat diesen Titel mit ihrer CD gemein, die den Weg für Röders Klavierkompositionen und sechs andere zeitgenössische Komponisten aus Istanbul bahnt, die von Röder selbst gespielt und in Auftrag gegeben wurden. Auf Röders Plattencover wird zitiert: “Ich höre Istanbul mit geschlossenen Augen zu.” So begann Orhan Veli, der große türkische Dichter des 20. Jahrhunderts sein gefeiertes Gedicht über Istanbul. Seda hört noch einmal Istanbul aufmerksam mit offenen Ohren und Augen beim Anbruch einer neu aufkommenden Ära zu. Und was sie im Jahre 2010 hört, während die Stadt den Titel ‘Kulturhauptstadt Europas’ trägt, sind spannende und aufregende Klänge einer neuen Generation türkischer Komponisten. Voller Energie und innovativer Kraft repräsentiert ihre Musik die lebendige und sich schnell verändernde Atmosphäre, welche der Schmelztigel Türkei in die Welt austrahlt.
Wie sie mir mitteilt, sieht Röder ihr Engagement, eine demokratische und aufgeklärte Gesellschaft in der Türkei zwischen Ost und West zu schaffen, eher als feinnuanciert statt als offen politisch. Obwohl sie eine Kolumne für das türkische Kunst- und Musikjournal “Neo Filarmonie” schreibt und sich mit Themen auseinandersetzt, die sich auf nationale und internationale Kunst/Kulturpolitik beziehen geht es beim Inhalt dessen, was sie schreibt, in erster Linie um neue Musikprogramme, Defizite neuer Musik bei Festivals und die Unterstützung zeitgenössischer Künstler heutzutage. Während Röders Webseite, die Biographien, CDs, internationale Konzertprogramme vorstellt und allgemein über am Bosporus aktive Komponisten informiert, durch Gelder aus Istanbul (vom ISGYO - Istanbul Real Estate Investment Trust) unterstützt wird, ist es ihre Verbindung zu Harvard und die sich daraus ergebende Rolle, die ihre Expertise als Vortragende in ihrer ‘Blackbox’ genannten Podcast-Reihe auf iTunes erkunden läßt.
Es war Röders ursprüngliche Ambition, sich innerhalb der gesamten Musikwelt zu engagieren, gleich ob sie dies erreichte, indem sie die Konzertprüfungen des Mozarteum Salzburg mit Auszeichnung absolvierte, intensiv mit Brahms-Spezialist Gerhard Oppitz an der Musikhochschule in München arbeitete, die Prinzipien der Aufführungspraxis der Orchester Musik erforschte oder mit historischen Instrumenten arbeitete.
Brücken zwischen den Kulturen zu bauen, ist für die Befürworterin der neuen Musikszene in Istanbul selbstverständlich, wo sie oft auftritt und sich bei Musikveranstaltungen engagiert. Gerade im letzten März machte Röder bei einem Auftritt mit, der vom Österreichischen Kulturforum beim Generalkonsulat in Yenikö veranstaltet wurde.
Im Jahre 2007 traf sie via Salzburg in Harvard ein und erforschte die Klaviermusik von Alban Berg und Arnold Schoenberg und ging als “Associate”, bevor sie sich wieder in Salzburg wiederfand. Die Kultur- und Musikgeschichte Österreichs sind sicherlich prägend für Röders Stil, wie das Repertoire offenbart, das sie zur Aufnahme ihres Debüt Albums auswählte; der Inhalt des ersten Albums spannt sich von Mozart bis Berg, um Komponisten, die alle in Wien aktiv waren. Im letzten Jahr spielte Röder in den USA sowohl an der West- als auch der Ostküste, aber in diesem Jahr konzentrieren sich die Auftritte auf Salzburg und Röder wird im Mai zurück in Istanbul sein, um das 50. Jubiläum des Österreichischen Kulturforums zu feiern.
Wenn es darum geht, das Publikum mit den verschiedenen Sprachen der Komposition des 20. und 21. Jahrhunderts vertraut zu machen, ist Röder durch und durch erfinderisch. Indem sie nicht typische Werke verschiedener Komponisten einschließlich von ihr selbst, Lei Lang, Beat Furrer, Morton Feldman, Helmut Lachenmann und John Cage vorstellt, überrascht sie ihr Publikum mit der Erkenntnis, dass hinter den “typischen” schockierenden und ungeheuerlichen Avant-Garde Stilen dieser Künstler, auch durchaus gezähmte und sogar klassische Elemente liegen können. Zum Beispiel kann John Cage, der für seine experimentellen Kompositionen bekannt ist, auch romantische Sachen hervorbringen, wie sein “In a landscape”, das eine starke Anlehnung an Debussy in Erinnerung ruft. Röders programmatische Auswahl stellt die Idee in den Mittelpunkt, dass es die persönliche Entscheidung dieser Komponisten war, ihre Musik in eine Richtung zu lenken, für die sie bekannt geworden waren und dass eine lebendige Umsetzung die Sichtweise des Publikums drastisch verändern kann.
Röder ist eine Allround-Musikerin, die an die Macht der Zusammenführung verschiedener Kunstformen wie Video, Tanz und Musik glaubt. Ihre Musik greift auf ein Klangvokabular zurück, das aus Klängen besteht, die mit Hilfe von elektronischen und akkustischen Instrumenten erzeugt werden, einschließlich von E-Bows, Schlägel und Metallmünzen, die auf der Tastatur, den Saiten und dem Pianokörper verwendet werden. Ich habe im Sommer 2012 ihren Parade- Auftritt zum Anlass von “Classical: Next” in München gesehen, die bei mir den Eindruck hinterliess, dass sie eine sehr gute Pianistin ist, ganz egal was für ein Repertoire sie auswählt. Ausserdem konnte man sie direkt nach dem Auftritt darüber ein paar persönliche Worte äußern hören, wie auch über ihr ganzes bevorstehendes Konzertprogramm.
In ihrer jüngsten Ko-Produktion mit SEAD “Same room, same time - John & Merce” würdigt Röder die klangliche Vorstellungswelt von Cage. Das Stück trägt den Titel “False Memory”, bezieht sich auf das psychologische Phänomen Déjà Vu und erinnert an ein Ereignis, dass ein Teil einer Erinnerung zu sein scheint, die größer als das Leben selbst ist, aber notwendigerweise nie wirklich stattgefunden haben mag.
Röder wurde vom klassischen Meister Alfred Brendel eine “Meisterin zeitgenössischer Klavierkunst” genannt, die besonders mit ihren Dialogen mit der Stille beeindruckt. Röders “Beethoven Now!” Programm sorgte für die Schaffung elektro-akkustischer Kadenzen und war ein transzendentes Beispiel ihrer ikonischen Erkundung von Alt und Neu. Röders Werk Black and White, das seine Premiere beim Tiroler Festival “Klangspuren” im September 2013 haben wird, steht beispielhaft für seinen Fokus auf das Klavier. Als Komponistin sucht Röder nach neuen Definitionen innerhalb eines Klavierrepertoires, das sowohl mit Österreich als Land großartiger Klaviertradition verbunden ist, als auch im Kontext der Klavier Musik der Komponisten von heute steht. "Der österreichische Klang des Klaviers " ist der Untertitel ihrer Black and White Statements, einem Spektakel auf der Suche nach einem neuen Piano-Sound, der sich auf ihre Welt des Klaviers konzentriert und an zwölf österreichische Komponisten erinnert. Diese Komponisten finden sich einem Instrument gegenüber, dessen Sprache auf tragische Weise alles gesagt zu haben scheint, was es zu sagen gibt. Die Dringlichkeit und Dramatik in Black and White ist fühlbar, erstickt die Luft mit einer Drohung; fast ist es so, als ob das Klavier eine neue Art und Weise zu sprechen lernen oder das Risiko ewiges Schweigen hinnehmen müsse. Das Programm versteht sich als Antwort auf zuvor nie gestellte Fragen, eine kollektive Reduktion des Klaviers auf seine wesentlichen Eigenschaften, die darauf abzielt, sein Wesen neu zu entdecken.
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